Emergency Remote Art Education

Kunstpädagogische Forschung im Emergency Remote-Modus

Erst verschoben, dann verlagert in den digitalen Raum: Die Tagung „How to Arts Education Research“ (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe) bot am 5. und 6.11.2020 einen gleichermassen grosszügigen und stringent geplanten Rahmen, um in grosser Runde (ca. 60-90 Teilnehmende) intensiv über Wissenspraxen zwischen Kunst und Bildung und ihre Bedeutung für die kunstpädagogische Forschung nachzudenken.

Noch vor meinem Stellenantritt an der ZHdK im März 2020 und damit weit vor den damals noch unvorstellbaren Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, hatte ich als Vorschlag einen kollektiven Beitrag der PhD-Gruppe Fachdidaktik Art & Design eingereicht. Als designierte Programmleiterin empfand ich die im Tagungscall aufgespannten Dimensionen in vielerlei Hinsicht grundlegend für das noch junge PhD-Programm, dem als kooperatives Angebot der Zürcher Hochschule der Künste, der Pädagogischen Hochschule Zürich sowie der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart nicht nur ein hybrides Selbstverständnis inhärent ist. Sein Schnittstellencharakter zeigt sich auch in den beteiligten Personen, mit den von ihnen eingebrachten und durch sie verhandelten Themen, ihren verschiedenen methodischen und diskursiven Herkünften und Verortungen.

Die konkrete Umsetzung wollte ich mit den PhD-Teilnehmenden gemeinsam entwickeln. Die Diskussion des Beitrags und seine Vorbereitung sollten eine motivierende und gruppenbildende Wirkung entfalten. Doch auch hier machte Corona einen Strich durch die Rechnung: Wir mussten mit grossem Bedauern feststellen, dass wir nicht in der Lage sind, den angekündigten kollektiven Beitrag zu leisten. Uns fehlte in mehrfachem Sinne die Basis um wie angekündigt kollaborativ ein Tagungsformat zu entwickeln: Inhaltlich, denn wir haben bislang aufgrund der Einschränkungen viel weniger zusammengearbeitet als gedacht. Und organisatorisch-methodisch, denn der Austausch im Digitalen reichte nicht aus, um auch ohne eine gemeinsame Erfahrungsbasis etwas Präsentables zu entwickeln. Die für uns alle schlüssige Konsequenz daraus lautete, dass anstelle der Gruppe ich alleine die Forschung im Bereich Fachdidaktik Kunst und Design an der ZHdK repräsentiere. Und dass ich aber dabei über ein Thema spreche, das für die Gruppe relevant ist und letztlich auch das Nicht-Zustandekommen des geplanten Vortragsformats bedingt hat: Emergency Remote Art Education (vgl. Hodges et al. (2020): The Difference between Emergency Remote Teaching and Online-Learning).

Anders als ursprünglich geplant, ergab sich damit die Gelegenheit, erneut über das aktuelle fachdidaktische Forschungsprojekt zu berichten:

„Vermittlung im Lockdown. Was Studierende von ihren Erfahrungen erzählen und was wir daraus lernen können“ (Arbeitstitel)

Das Forschungsprojekt rekonstruiert die Vermittlungspraxis im Rahmen von Berufspraktika in soziokulturellen Feldern im Frühjahr 2020 und damit im Modus von „Emergency Remote Teaching“ (Hodges et al. 2020). Es gibt Studierenden im Bachelor Art Education an der Zürcher Hochschule der Künste die Möglichkeit, sich über ihre individuellen und kollektiven Orientierungen in Bezug auf diese Praktikumserfahrung zu verständigen und sich als Praxisexpert*innen und Stakeholder an der Wissensgenerierung und Methodenentwicklung im Bereich der Kulturellen Bildung zu beteiligen. Anhand von vollständig mit Hilfe von Videokonferenztools durchgeführten Erhebungen (Gruppendiskussion, Interview, experimentelle Erprobung) wird mittels phänomenologischer Analysen das gemeinsame Ringen und Suchen der Beteiligten nach dem Verständnis und dem Stellenwert „dieser ganzen Onlinegeschichten“ (studentisches Zitat) im Verhältnis zu bisher geläufigen Vermittlungsformaten im Bereich Kultureller Bildung rekonstruiert. Die Unzulänglichkeit vorhandener Begriffe erweist sich dabei nicht nur als eine zentrale Herausforderung für die Verständigung über digital vermittelte ästhetisch-kulturelle Prozesse. Es eröffnet sich mit ihr das Potential einer grundlegenden Revision von ästhetisch-kulturellen Vermittlungsverständnissen, der sich das Forschungsprojekt in anschließenden Untersuchungsschritten widmen wird.

Einstellungen, Perspektiven und Foki ändern mit künstlerisch forschenden Strategien

Entlang der für die Tagung vorgegebenen Koordinaten, zum Verständnis und zur Weiterentwicklung dieses aktuellen Forschungsprojekts kontrastierte ich die bislang getroffenen methodischen Entscheidungen und methodologischen Begründungen mit einer künstlerisch-forschenden Strategie, mit der ich noch im Rahmen meines Kunststudiums in einem experimentellen, seriellen Verfahren Bilder von Menschen in ihrer Verfasstheit als mit Medien Wahrnehmende und durch Medien Wahrgenommene erzeugt habe. In der Gegenüberstellung der vorgestellten Ansätze und Gegenstände zeigten sich die teils unterschiedlichen, teils verbindenden Qualitäten dieser forschenden Zugänge zu einer Untersuchung der medialen Bedingungen künstlerisch-gestalterischer und kunstpädagogischer Prozesse. Sie wurden damit als spezifische Strategien für kunstpädagogische Forschung sichtbar gemacht, die dialogisch verhandelt werden und sich gegenseitig befruchten können.

Das Abstract meines Vortrags und jene der anderen Beiträge sind auf der Tagungshomepage einsehbar. Eine Publikation ist in Planung.

Vielen Dank an die hervorragende Konzeption und Organisation an das Tagungsteam Nadia Bader, Stefanie Johns und Lennart Krauß!

Abb. Miriam Schmidt-Wetzel (2009): „O. T. (schwarz/weiß)“,
3-Kanal-Videoinstallation, s/w, 59:52min (Loop)
Ausstellungsansicht „Kunststudierende stellen aus“, Bundeskunsthalle Bonn

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